Trends, Chancen und Ansätze

Digitaler Wandel im Automobilvertrieb

Trends, Chancen und Ansätze

Gerade für die Fahrzeughersteller liegen die Vorteile eines Direktvertriebs deutlich auf der Hand. (Bildquelle: Pixabay)

Das Internet als Vertriebskanal hat in den vergangenen Jahren auch in Deutschland rapide an Bedeutung gewonnen – Tendenz weiter steigend: An der Spitze dieser Entwicklung stehen nach wie vor die Textil-, die Tourismus-, Elektronik- und die Softwarebranche, während die Automobilbranche erst am Anfang steht. Da Studien zufolge immer mehr Fahrzeugkäufer durchaus bereit sind, ein neues Auto im Internet zu bestellen, gilt es für die Branche, heutige Online-Präsenzen zu echten Online-Vertriebswegen auszubauen. Eine Reihe an Chancen, Ansatzpunkten und Empfehlungen lassen sich bereits jetzt erkennen.

Die Liste der aktuellen Trends in der Automobilindustrie ist mittlerweile hinlänglich bekannt: Zunächst sind da die E-Mobilität und das autonome Fahren, die vor allem direkt an der Produktsubstanz ansetzen. Weitere Trends, wie die Sharing Economy und die Digitalisierung, stellen zusätzlich etablierte Preismodelle und Vertriebswege in Frage und betreffen damit auch die vertrieblichen Aspekte der automobilen Wertschöpfungskette.

Kaufen wir in Zukunft überhaupt noch Autos, oder wird Mobilität nach Bedarf bestellt?

Bereits die aktuellen Wachstumsraten der Carsharing-Anbieter zeigen die wachsende Bedeutung von Mobilitätsdienstleistungen gegenüber dem klassischen Autokauf auf: Laut einer Studie des Bundesverbands Carsharing sind in Deutschland Anfang 2019 fast 2,5 Mio. Carsharing-Kunden registriert, was einer Steigerung um 350.000 Kunden gegenüber 2018 entspricht . Diese Transaktionen und das klassische Autovermietungsgeschäft werden längst kostensparend über Internetseiten und Apps abgewickelt. Hinzu kommt der generelle Trend zum Leasing von Neufahrzeugen: In 2018 wurden in Deutschland bereits vier von zehn Neufahrzeugen geleased – berücksichtigt man dabei die Anschaffungswerte kommt man auf einen Leasing-Anteil von rund zwei Dritteln des Neufahrzeuggeschäfts.

Die Automobilhersteller selbst erweitern ihr eigenes Angebot an Mobilitätsdienstleistungen: Neben den etablierten Carsharing-Angeboten wie ShareNow (die Fusion aus DriveNow und Car2Go), haben unter anderem Porsche und Cadillac eigene Angebote gestartet, bei denen Kunden gegen eine monatliche Gebühr verschiedene Fahrzeuge fahren und wechseln können, zum Teil inklusive Lieferung bis zur Haustüre.

Zudem experimentieren Automobilhersteller immer offener mit direkten Vertriebsmodellen: Während Audi eine limitierte Variante seiner TT-Baureihe und Porsche exklusive und individuelle Fahrzeugfolierungen ausschließlich online vertreibt, bietet Volvo seinen Kunden für Care-by-Volvo-Angebot (Fahrzeug inkl. Wartung, Versicherung, etc.) zusätzlich zum klassischen stationären Kanal auch die Möglichkeit, online zu bestellen. Tesla wird in Zukunft sogar alle Fahrzeugkäufe online abwickeln und den stationären Kanal als reinen Showroom nutzen.

Hinzu kommen auf der Handelsstufe neue Spieler, wie zum Beispiel Online-Portale wie autohaus24, Carneo, Mein Auto und 12Neuwagen, die mit einfachen Verkaufsprozessen und attraktiv gestalteten Websites online um Kunden buhlen und aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren Fixkosten mitunter sehr attraktive Konditionen anbieten können.

Ein neuer Typ von Kunden stellt den Automobilvertrieb vor Herausforderungen

Auch auf der Kundenseite ändern sich die Bedürfnisse und Erwartungen – mit direkten Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen: Der neue Typ Kunde informiert sich besser vorab, vergleicht Preise online und reagiert sensibler auf Preise. Zugleich ist er weniger loyal gegenüber Marken und hat immer höhere Erwartungen und Ansprüche an den Service. Für viele ist es nicht mehr relevant, dass ihre Familie und Freunde schon seit Generationen ihr Auto beim örtlichen Automobilverkäufer erworben beziehungsweise in der dortigen Werkstatt ihr Fahrzeug haben warten lassen.

Diese Kunden sind zudem aus anderen Branchen andere Kommunikations-, Beratungs-, Entscheidungs- und Kaufprozesse gewöhnt: Unternehmen nutzen dort vermehrt neue Medien für die Kundenansprache sowie moderne Instrumente der Kundenanalyse; sie bieten neue, zunehmend vernetzte Produkte an und machen Dienstleistungen schneller verfügbar. Zudem erfolgt die Kaufabwicklung online und die Produkte werden bis vor die eigene Türe geliefert. Im Vergleich dazu wirken Warte- und Lieferzeiten auf Produkte oder auf Servicetermine, rudimentäre Produktvisualisierungen und komplizierte Erklärungen oder auch komplexe Grund- und Aufpreislisten sowie langwierige Preisverhandlungen auf die neue Kunden-generation unattraktiv.

Der Wandel in der Automobilbranche macht auch vor den Vertriebswegen nicht halt

Im Gebrauchtwagensegment haben sich Online-Plattformen bereits etabliert und Hersteller-gebundene Händler nutzen zudem eigene Websites, um Gebraucht- und Jahreswagen anzubieten. Allerdings werden zahlreiche Schritte auf der Beschaffungsseite und im Verkaufsprozess immer noch größtenteils offline abgewickelt (z.B. Probefahrt, Beratung, Verhandlung, Abholung). Neue Anbieter (z.B. Wir-kaufen-Dein-Auto) versuchen zwar, größere Teile des gesamten Wertschöpfungsprozesses zu digitalisieren und zum echten Online-Gebrauchtwagenhändler zu werden, doch auch hier erfolgt mit der Bewertung des Fahrzeugs vor dem Ankauf immer noch ein zentraler Prozessschritt offline.

Der Blick auf andere, bereits stärker digitalisierte Branchen kann Ansatzpunkte für den Automobilvertrieb bieten: Dort denkt der Vertrieb bereits in den Begriffen „Customer-Journey“, „Conversion“ und „Omni-Channel-Management“. Dabei geht es darum, die potentiellen Kunden entlang ihrer individuellen Kaufentscheidungsprozesse von der ersten Informationssuche bis zum Kaufabschluss durch unterschiedliche Medien – online und offline – zu begleiten. Elemente sind dabei suchmaschinenoptimierte Websites, Online-Werbung, personalisierte Text- und Video-Chats und Gratisangebote im Austausch für persönliche Informationen und Informationen zur Offline-Verfügbarkeit von Produkten in der Nähe des Kunden. Diese Elemente sollen für den Kunden so nahtlos verzahnt sein, dass sie zwischen den Online- und Offline-Angeboten hin- und herwechseln können und Schritt für Schritt an das Produkt gebunden werden. In welchem Kanal sie schlussendlich kaufen ist dabei egal – Hauptsache sie bleiben interessiert, nähern sich schrittweise der Kaufentscheidung und kaufen am Ende beim eigenen Unternehmen. Diesem Ansatz verdanken führende Hersteller und Händler eine positive Geschäftsentwicklung, obwohl auch in diesen Branchen die Digitalisierung oft mehr als Bedrohung denn als Chance verstanden wird.

Modernisierung des Automobilvertriebs

Es dürfte unbestritten sein, dass dem Online-Kanal im Automobilvertrieb zukünftig eine immer größere Bedeutung zukommen wird und Absätze sowie Umsätze dort deutlich steigen werden. Es stellt sich aber zunehmend die Frage, wer denn die Vorreiterrolle übernehmen wird. Es gibt gute Gründe, für die etablierten Partner im Automobilvertrieb – Hersteller und Händler – ihre Partnerschaft weiterzuführen. Jedoch liegen gerade für die Fahrzeughersteller die Vorteile eines Direktvertriebs deutlich auf der Hand – vor allem auch vor dem Hintergrund veränderter Angebote für die Kunden: Flatrates, All-inclusive-Angebote, Fahrzeugwechsel weisen bereits in eine disruptiv veränderte Verkaufswelt – wenn man überhaupt noch vom „Verkauf“ sprechen will.

Insgesamt ist es gerade durch die vereinfachten Kommunikationsmöglichkeiten wichtig, nicht nach dem Motto „viel-hilft-viel“ zu verfahren, sondern folgende Punkte zu berücksichtigen:

– Innovationen im Onlinevertrieb und -marketing aktiv fördern,

– neue Angebote entwickeln, die nicht in den alten Kategorien Fahrzeugkauf und Service festhängen, sondern innovativ und kreativ differenzierte Ansprachen an Kunden erlauben,

– die Neukalibrierung und Neuausrichtung des Vertriebs hin zum Kunden angehen,

– detaillierte Kunden-Anforderungs-Analysen (im legalen Umfang) durchführen,

– eine Überforderung bzw. Überfrachtung der Kunden vermeiden (Gefahr von Overkill),

– Nischen frühzeitig besetzen,

– Customer Journey und Customer Centricity berücksichtigen,

– eine bessere Verzahnung von Offline und Online anstreben,

– Onlineaktivitäten in eine gesamthafte Digitalstrategie einbinden.

Es gilt doch sowohl aus Sicht der Automobilhersteller, als auch der Autohändler, das Spielfeld nicht anderen, unabhängigen oder neuen Akteuren zu überlassen.

Autoren:

Prof. Dr. Markus B. Hofer

Geschäftsführender Gesellschafter, EbelHofer Strategy & Management Consultants

Dozent, International School of Management (ISM)

Dr. Benedikt Neufang

Senior Consultant, EbelHofer Strategy & Management Consultants

Quellen/Nachweise:

https://carsharing.de/presse/pressemitteilungen/carsharing-statistik-2019-carsharing-deutschland-weiter-auf-wachstumskurs

https://bdl.leasingverband.de/presse-aktuelles/aktuelles/leasing-anteil-an-neuzulassungen-2018-4-von-10-fahrzeuge-geleast-2019-03-11/

https://www.cluno.com/de/cluno-x/

https://bookbycadillac.eu/de/

https://www.audi.de/de/brand/de/neuwagen/tt/tt-quantumgrau-edition.html

https://de.motor1.com/news/354840/porsche-online-plattform-folierung/

https://www.volvocars.com/de/carebyvolvo/

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/tesla-elon-musk-will-elektroautos-nur-noch-im-internet-online-verkaufen-a-1255711.html

Bildquelle: Pixabay

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